Wird er es tun? Wird sich Donald Trump selbst begnadigen, bevor er Ende Januar seine Immunität verliert und fürchten muss, dass er unter Anklage gestellt wird? Jedenfalls hat der abgewählte US-Präsident den entsprechenden Vorschlag des Republikaners Matt Gaetz begeistert aufgenommen. Solch eine Selbstbegnadigung wäre präzedenzlos und ist hochumstritten. Weil die amerikanische Verfassung, so argumentieren einige Juristen, sie nicht ausdrücklich verbiete, sei sie durchaus erlaubt. Am Ende müsste der Supreme Court darüber befinden, ob der Präsident das Recht hat, das Recht auszusetzen, so wie im Fall von Gerald Ford, der Richard Nixon begnadigte.
Doch Nixon taugt nicht als Beispiel. Gewiss, das Rechtssystem kennt den Akt der Begnadigung, aber im Fall von Trump wäre er es ja selbst, der für sich persönlich das Recht gewährt, das Recht zu suspendieren. Diese Rechtsfigur ist nicht nur pikant; sie eröffnet einen epochengeschichtlichen Abgrund, der Amerikas Gegnern wie gerufen kommt. Denn was bedeutet es, wenn ein Präsident sich selbst gegenüber Gnade walten lässt? Es bedeutet, dass sich die Macht das Recht nimmt, souverän einen Ausnahmezustand zu definieren, in dem das Recht nicht gelten soll. Damit aber stünde die Macht, die sich in angemaßter Vollkommenheit vom Recht entbindet, bereits vor dem Gnadenakt außerhalb des Rechts – das Recht der Macht triumphierte immer schon über die Macht des Rechts. Wie sonst soll man sich Trumps Selbstbegnadigung vorstellen? Hält seine Frau Melania ihrem Gatten einen Spiegel hin, und Trump spricht: "Ich, der Präsident, entscheide hiermit souverän, dass ich kraft der legitimen Macht meines Amtes Gnade gegen mich selbst übe und außerhalb des Rechts stehe"? Das ist gnadentheologisch absurd. Die Gnade, darin besteht ihr Wesen, ist unverfügbar und kann nur erbeten, nicht aber gegen sich selbst gewährt werden. Auch nicht in ihrer säkularen Gestalt.
Es ist klar, was zurückkehrt, wenn Trump die "künstlichen Ketten des Rechts" (Thomas Hobbes) abstreift: das alte Gespenst der Souveränität, der nackte Wille zur Macht. Dieser Wille muss sich nicht rechtfertigen, denn er ermächtigt sich selbst – weil er will, ist er gültig. Das höhere Gesetz, auf das sich Trumps Wille beruft, lautet also nicht Demokratie oder Gerechtigkeit. Das höhere Gesetz ist der Wille selbst, seine Natur.
Der Kulturwissenschaftler Friedrich Balke hat in seinem Buch Figuren der Souveränität die Demokratien daran erinnert, dass der Wille zur Macht jederzeit im Herzen einer Regierung seinen Veitstanz aufführen kann. Doch die Frage bleibt, warum ausgerechnet mit Donald Trump dieser Wille zurückkehrt: weil Macht und Recht "im Grunde" innig verbunden sind? Weil die souveräne Macht zu den ewigen Grundtatsachen des Politischen gehört?
Bevor sich seine Gestalt in ontologischen Nebel auflöst, sei an die Herkunft des Präsidenten erinnert: Trump ist ein Immobilientycoon, er ist, wenn es das gibt, das geborene Denken, Fühlen und Trachten des Geldes. Geld hasst Hindernisse. Es will Macht, weil es fließen und expandieren will, und alles, was sich seiner Souveränität in den Weg stellt, scheint illegitim. Trump ist der schamlose Körper des Geldes, unzählige Male hat er seine Geisteshaltung offenbart, und nicht einmal das Recht hat das Recht, sich ihm entgegenzustellen. Und wird die Macht schuldig, begnadigt sie sich selbst.
Die historische Fatalität einer solchen Selbstbegnadigung bestünde darin, dass Trump einem hässlichen Verdacht neue Nahrung gäbe: Die USA und damit der gesamte Westen lügen, wenn sie sich gegenüber anderen Nationen auf das Recht berufen. In Trump, so hieße dies, erscheint die Wahrheit des Westens. Er missbraucht das Recht und wiederholt seine religiösen Ursprünge als atheistische Farce – der US-Präsident spielt Gott und ermächtigt sich selbst. Im Kapitalismus als Religion verwandelt sich das Geld in den irdischen Gott.
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