Samstag, 7. August 2021

ABSCHIED VON DER REALITÄT Das wahre Problem der Amerikaner L (loneliness) Hanna Arendt alive https://www.rnd.de/politik/usa-wie-einsamkeit-die-abkehr-vom-realen-beguenstigt-2E4HRTM53RGBDJLDHQVFGW67YM.html

ABSCHIED VON DER REALITÄT Das wahre Problem der Amerikaner L (loneliness) Hannah Arendt alive Verdrehung des Realen als Machtbeweis: In diesem Sinne war auch Donald Trump ein Radikaler. Gleich nach seinem Amtsantritt im Jahr 2016 wies er Mitarbeiter des Weißen Hauses an, auf Fotos von seiner Vereidigung die Menschenmengen größer erscheinen zu lassen, als sie in Wirklichkeit waren. Streng genommen hätte in Washington schon in diesem Moment ein Amtsenthebungsverfahren in Gang gesetzt werden müssen. Es mag übertrieben klingen, ist aber wahr: Auf keinen Fall darf der Präsident der USA seine Macht und seine Apparate zu wahrheitswidrigen Manipulationen nutzen. Der Öffentlichkeit gegenüber hat der Präsident eine dienende Funktion, dazu gehören Transparenz und Redlichkeit, Wer das verkennt, gehört nicht ins Weiße Haus, keinen einzigen Tag lang. Trump aber brachte es fertig, dort die vollen vier Jahre zu verbringen. In dieser Zeit setzte er laut „Washington Post” sage und schreibe 30.573 Lügen und irreführende Behauptungen in die Welt. Unvergessen ist der Begriff der „alternativen Fakten”, den die Trump-Beraterin Kellyanne Conway in die Debatte einführte. Seither zieht ein eigentümlicher Nebel um die Welt. Liegt die Wahrheit immer in der Mitte? Den USA, und nicht nur ihnen, hat diese Unkultur bleibenden Schaden zugefügt. Jeden Tag, vier Jahre lang, wurden die Zeitungen „New York Times” und „Washington Post”, aber auch Sender wie NBC, CNN und CBS vom Präsidenten der USA als „Fake News Media” niedergemacht. Trump-Gegner, klar, tippten sich da nur an den Kopf. Bei Trumps Wählern aber hat dieser Dauerbeschuss etwas verändert. Sie vertrauen jetzt den traditionellen Medien nicht mehr. Das hat nicht etwa nur feuilletonistische Folgewirkungen, sondern auch verfassungspolitische: Es geht um checks and balances. Was wäre geschehen, wenn die „Washington Post” unter Trump einen Skandal im Watergate-Format enthüllt hätte? Das Weiße Haus hätte immer mit Fake-News-Vorwürfen gekontert – die Zeitung war ja immer schon gefleddert, bevor sie erschien. Am Ende hätten Trumps Leute dann alles sehr bequem in eine Zone ewiger Unentschiedenheit schieben können: Wer weiß schon, wie es wirklich wahr? Achselzucken, nächstes Thema. Die „New York Times”-Kolumnistin Michelle Goldberg zitierte dieser Tage die deutsch-amerikanische Politologin und Philosophin Hannah Arendt (1906– 1975), die früher und klarer als andere darlegte, dass sich vor allem einsame Menschen von totalitären Ideologien angezogen fühlen. Schon 1951 war Arendt in ihrem in New York erschienenen weltberühmt gewordenen Buch „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft” zu einem Schluss gekommen, der bis heute simple Lösungen im Kampf „gegen rechts” ausschließt: „Das Hauptmerkmal des Massenmenschen ist nicht Brutalität und Rückständigkeit, sondern seine Isolation und das Fehlen normaler sozialer Beziehungen.” https://www.rnd.de/politik/usa-wie-einsamkeit-die-abkehr-vom-realen-beguenstigt-2E4HRTM53RGBDJLDHQVFGW67YM.html
Welche Wucht hätte heute noch eine Enthüllung durch die "Washington Post"? Der Film "All the President's Men" über die Watergate-Affäre in der Ära Nixon setzte im Jahr 1976 den Washington-Post-Reporter Carl Bernstein (Dustin Hoffmann) und Bob Woodward (Robert Redford) ein Denkmal. © Quelle: picture alliance / United Archiv https://www.rnd.de/politik/usa-wie-einsamkeit-die-abkehr-vom-realen-beguenstigt-2E4HRTM53RGBDJLDHQVFGW67YM.html ABSCHIED VON DER REALITÄT Das wahre Problem der Amerikaner L (loneliness) Hannah Arendt alive Zu besichtigen ist hier eine Verwirrung der Geister, die viel weniger dramatisch wäre, wenn es nicht um die Führungsmacht der freien Welt ginge. Man könnte das alles ein bisschen schärfer formulieren: Das Fundament der amerikanischen Demokratie ist ins Rutschen geraten. Putin, Trump und die Krise des Realen Was ist wahr, was unwahr? Die „Krise des Realen” beschäftigt Philosophen schon eine ganze Weile. Mächtige weltpolitische Akteure haben dazu kräftig beigetragen, Wladimir Putin zum Beispiel. 2014, bei der russischen Annexion der Krim, blickte die Welt auf die legendären „grünen Männchen”, Bewaffnete ohne Uniformen oder Abzeichen. Putin sagte damals, es gebe keine russischen Armeeangehörigen auf der Krim. Später räumte er dies dann doch ein. Und am Ende gefiel es ihm sogar, die russischen Soldaten für ihren Einsatz dort mit Orden auszuzeichnen. „Radikal postmodern” sei dieser Umgang mit der Wahrheit, raunte die Wochenzeitung „Die Zeit” Liegt nicht die Wahrheit sowieso immer in der Mitte? Genau diesen Spruch kann etwa die deutsche Syrien-Expertin Bente Scheller von der Heinrich-Böll-Stiftung schon nicht mehr hören, wie sie vor Kurzem in einem Interview sagte. Wie soll man wohl die Mitte bilden zwischen Dokumenten, die haarklein den wiederholten gezielten Beschuss von zivilen Kliniken durch russische Flugzeuge belegen, und irgendetwas anderem? Auf den Gedanken, dass irgendetwas eindeutig skandalös sein könnte, mag sich kaum noch jemand einlassen: Die Relativierung alles Realen ist zur Routine geworden. Hannah Arendt lässt grüßen Beklemmend oft dagegen taucht neuerdings das L-Wort auf: loneliness. Einsamkeit, sagen Soziologen und Demoskopen, habe so viele Amerikaner wie noch nie anfällig gemacht für Personenkult, Verschwörungstheorien und rechtspopulistischen Aktivismus. Angesichts dieses epochalen Befunds lässt Kolumnistin Michelle Goldberg einen Seufzer los: „Eine sozial gesunde Gesellschaft hätte Trump wahrscheinlich nie gewählt.”

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen