Donnerstag, 14. Januar 2021

USA Ein Volk aus Schuldnern. 115000 USD pro PrivatHaushalt im Durchschnitt https://www.zeit.de/2021/02/usa-schulden-privathaushalte-familien-kreditkarten-kredite ZEIT DE

USA Ein Volk aus Schuldnern. 115000 USD pro PrivatHaushalt im Durchschnitt https://www.zeit.de/2021/02/usa-schulden-privathaushalte-familien-kreditkarten-kredite In den USA jonglieren immer mehr Familien mit Bankdarlehen, Kreditkarten und Pfandhausleihen, um ihren Privatbankrott abzuwenden. Wenn Donald Trump sich am 20. Januar aus dem Weißen Haus verabschiedet, hinterlässt er einen tief verschuldeten Staat. 21 Billionen Dollar betragen die Außenstände in den öffentlichen Kassen oder 102 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der USA, so schlimm war es seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. Doch auch privat haben die Amerikaner so hohe Schulden wie nie zuvor. Das geht schon beim Präsidenten selbst los: Trump persönlich hat der New York Times zufolge Verbindlichkeiten in Höhe von 400 Millionen Dollar, eine beachtliche Summe selbst für einen Milliardär. Erst recht aber erreichen die Schulden amerikanischer Normalverdiener neue Rekordstände, und das hat nicht bloß mit dem Coronavirus zu tun. Schon vor der Pandemie, im vierten Quartal des Jahres 2019, lasteten auf jedem US-Haushalt im Schnitt 115.000 Dollar Schulden, was ein neuer Höchststand war. Seitdem steigen sie kräftig weiter, und man kann das an vielen Kennziffern ablesen: Nach Schätzungen von Moody’s Analytics etwa sind zum Jahresende 2020 bis zu 70 Milliarden Dollar an Mietschulden aufgelaufen, weil Millionen Haushalte nur zum Teil oder gar nicht gezahlt haben. Randy Cohen, der Inhaber eines Pfandleihhauses namens Royal Pawn im Zentrum von Chicago, sagt: Covid-19 habe nur verschärft, was er schon seit Langem beobachte. Die Amerikaner kämen mit ihrem Geld nicht mehr aus. Die ZEIT hatte ihn schon Anfang März 2020 in einer Seitenstraße in seinem Laden besucht, der abseits der Art-déco-Bauten und Glastürme der wohlhabenden Innenstadt liegt. Die Pandemie war damals noch nicht voll im Bewusstsein angekommen, in den beengten Geschäftsräumen stapelten sich elektronische Geräte, Gitarren und Pelze, ein Hirschgeweih, Ketten und Ringe. Cohen bot diese Pfänder zum Verkauf an, weil ihre Besitzer sie nicht auslösen konnten oder wollten. Damals lief die US-Wirtschaft aber noch gut, die Arbeitslosigkeit war so niedrig wie seit 50 Jahren nicht mehr. Trotzdem kamen an diesem Tag Kunden zu Cohen, die noch vor einigen Jahren nicht gekommen wären: ein Bauarbeiter, der in der Mittagspause seinen Ehering verpfändete, um die Reparatur seiner Waschmaschine zu bezahlen. Ein Betriebswirtschaftsstudent, der so knapp bei Kasse war, dass er seinen Computer als Sicherheit hinterlegte und dafür ein Darlehen über 40 Dollar aufnahm. Viele Senioren kamen ins Pfandleihhaus, etwa die sorgfältig gekleidete Dame, eine Stammkundin, die immer Stücke vom Familienschmuck bei Cohen hinterlegt, wenn ihre Rente nicht reicht. "Wir merken, wie es den Leuten tatsächlich geht", sagt Cohen, dessen Familie dieses Geschäft seit über hundert Jahren kennt. Unter der Oberfläche der scheinbar gut laufenden Wirtschaft sei die finanzielle Lage vieler Menschen schon länger angespannt. Die Pandemie-Lockdowns trieben dann im Sommer die örtliche Arbeitslosenquote auf fast 20 Prozent. Kredite von Royal Pawn sind gefragter denn je. In einem Telefonat kurz vor Weihnachten sagt Cohen: "Die Leute bringen uns ihre Fernseher, Musikinstrumente, Telefone, Uhren – was auch immer an Wertsachen sie herschleppen können." Die Pandemie hat selbst Amerikaner in Notlagen gestürzt, die ein regelmäßiges Einkommen verdienen. Ein großer Teil der Familien lebt "from paycheck to paycheck" – das heißt, dass das monatliche Gehalt gerade so reicht, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Zurücklegen können sie nichts. Jede unvorhergesehene Ausgabe bedroht das finanzielle Überleben. Fast 40 Prozent der US-Bürger könnten in einem Notfall keine 400 Dollar aufbringen: Das hat die US-Notenbank per Umfrage ermittelt. © Gregory Halpern/​Magnum Photos/​Agentur Focus Warum reicht den Amerikanern ihr Einkommen nicht mehr? Ein großer Teil der monatlichen Ausgaben geht für das Zurückzahlen bestehender Kredite drauf – die Raten für die Hypothek, für das Auto oder den Studienkredit. "Die Vorstellung vom konsumfreudigen Amerikaner, dem die Kreditkarte zu locker sitzt, ist längst nur noch ein Mythos", sagt Christian Weller, Professor für Public Policy an der University of Massachusetts in Boston. In der Mittelschicht stagnierten die Einkommen, aber die Ausgaben für Grundbedürfnisse seien in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen. Die wachsende Lücke schließen Millionen Familien mit Krediten. Als Beispiel nennt Weller das Auto. "Für die meisten Amerikaner ist das eigene Fahrzeug ein Muss." Außerhalb von Metropolen wie New York oder Chicago ist der öffentliche Nahverkehr kaum ausgebaut. Vororte sind vielleicht noch mit dem Bus erreichbar, auf dem Land gibt es jedoch in der Regel keine Alternative zum eigenen Fahrzeug. Die Preise für Neuwagen sind in den vergangenen Jahren aber kräftig gestiegen. Im Frühjahr 2020 betrug der durchschnittliche Anschaffungspreis 38.000 Dollar, das mittlere jährliche Haushaltseinkommen lag vor der Pandemie aber gerade mal bei 68.000 Dollar.

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