Oberkapitalist Henkel trifft Obermarxist Castro
Hans-Olaf Henkel hat Fidel Castro früher einmal sehr bewundert. Er traf ihn auf Kuba. Jetzt ist Castro tot. Der ehemalige BDI-Chef erinnert sich. Ein Gastbeitrag.
26.11.2016, von HANS-OLAF HENKEL
Als ich Fidel Castro 1998 an der Spitze einer deutschen Wirtschaftsdelegation zum ersten Mal traf, brachte ich ihm ein deutsches Fernglas mit. Er hob es an seine Augen, aber so, dass er von der falschen Seite hindurchsah, und so betrachtete er uns eine Weile aus der Distanz. Es machte ihm sichtlich Spaß, auf diese Weise erst einmal Abstand zu seinen Gästen zu gewinnen. Fidel Castro hatte auch sonst immer Abstand gehalten, zu lebensbedrohlichen Gefahren, zu seinen Konkurrenten, zu seinem Volk und schließlich zur Realität.
Wie viele aus meiner Generation war ich zu Beginn der 60er Jahre auf der Suche nach Vorbildern im Ausland. Zu Hause fanden wir keine. Papst Johannes XXIII. beeindruckte uns mit seinem Reformmut und seiner Zärtlichkeit; Amerikas Präsident John F. Kennedy mit seiner Ungezwungenheit und seiner eleganten Frau; Fidel Castro, weil er mit einer kleinen, unerschrockenen Gruppe einen korrupten Diktator von seiner Insel jagte. Als eins dieser Vorbilder 1961 versuchte, dem anderen in der Schweinebucht den Garaus zu machen, mussten wir uns entscheiden. Klar, dass wir David dafür bewunderten, wie er Goliath standhielt. Außenpolitisch hatte Castro seine Rolle damit früh gefunden, er gab sie bis zu seinem Tod nie wieder auf. Für uns war Fidel Castro damals außenpolitisch das, was zehn Jahre später Rudi Dutschke innenpolitisch werden sollte.
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Auch auf Kuba gab es viele Gründe zur Bewunderung. Selbst skeptische Besucher finden nicht nur im Revolutionsmuseum in Havanna, sondern überall im Land überzeugende Hinweise auf den enormen Kraftakt, mit dem sich die jungen Revolutionäre damals für die Beseitigung des Analphabetismus einsetzten. Noch heute ist der Anteil derjenigen, die lesen und schreiben können, in Kuba höher als in vielen Teilen Lateinamerikas. Das Gesundheitssystem war lange ein Vorbild auf der ganzen Welt, es ist immer noch eines der besten des Kontinents. Umweltschützer preisen die ökologisch betriebene Landwirtschaft.
Castros legendärer Kampfanzug täuschte darüber hinweg, dass er ein sehr vorsichtiger Typ war. So wie früher seine Mitkämpfer beschreiben später seine Biographen, dass er sich nie selbst ins Kampfgetümmel warf und auch aus sicherer Entfernung immer einen zweiten, dritten Fluchtweg für alle Fälle organisierte. Auch den legendären Angriff auf die Moncada–Kaserne 1953, der im Desaster und mit seiner Festnahme endete, führte er aus der Ferne. So wundert es auch nicht, dass Castro unter den zwölf von ursprünglich 82 Kämpfern war, die Tod oder Festnahme entgingen, als sie 1956 kurz nach der Landung mit ihrem Boot auf Kuba in einen Hinterhalt gerieten. Als ich ihn über Che Guevara befragte, äußerte Castro sich sehr kritisch über dessen risikofreudige Naivität, die ihn in Bolivien das Leben kostete: „Das Gehirn, der ,Líder‘, darf sich nie selbst in Gefahr begeben, ohne die ganze Sache zu gefährden!“ Weniger das Glück als vielmehr sein großes Misstrauen halfen Castro, ungezählte Attentate zu überleben.
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